Sehr geehrter Herr Staatsminister Grüttner,
dem Luisen Krankenhaus Lindenfels droht einmal mehr die Schließung. Diesmal könnte es ernst werden.
Das Traditionshaus mit einer über 100-jährigen Chronik hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Momentan wird es mit 111 Planbetten und rund 150 Beschäftigten geführt. Einige Detailinformationen habe ich beigefügt.
Träger in der neueren Zeit waren der Hessische Diakonieverein (HDV), Agaplesion, die katholische Heilig-Geist-Stiftung und nun, seit Januar 2013, der Südhessische Klinikverbund (SHK), an dem mit 95 % die Universitätsmedizin Mannheim (UMM) und mit 5 % die Heilig-Geist-Stiftung beteiligt sind. Der SHK verbindet drei Kliniken, ein geriatrisches Haus in Lampertheim, das Heilig Geist Hospital in Bensheim und eben das Luisen Krankenhaus in Lindenfels.
Bensheim soll auf 50 Betten reduziert, Lindenfels ganz geschlossen und die Geriatrie in Lampertheim soll ausgebaut werden. Ein Datum wurde offiziell nicht genannt, das Jahresende 2015 kolportiert.
Für Lindenfels bliebe in diesem Planspiel ein medizinisches Versorgungszentrum, das derzeit schon in etwa vorhanden ist.
Derzeit sind in dem Haus in Lindenfels der hausärztliche Notdienst, Rettungsdienst und Notarzt sowie neben den Stationen eine chirurgische und innere Notfallambulanz eingerichtet. Auch ein MVZ mit zwei Hausarztsitzen gibt es bereits.
Die Geburtenstation wurde schon im Jahr 2010 geschlossen.
Die ehrgeizigen Ziele der UMM konnten leider nicht erreicht werden, vielleicht auch, weil eigene Probleme im Bereich der Hygiene das Mutterhaus, das städtische Klinikum Mannheim, in die öffentliche Diskussion und in die Verlustzone brachten. Offenbar war auch der Patientenabfluss aus Lindenfels und Bensheim nicht im errechneten Plan erreichbar.
Im ärztlichen Bereich und auch bei den Betten herrscht im Kreis Bergstraße ein Überangebot, wenn man der kassenärztlichen Vereinigung (KV) Glauben schenkt. Der Kreis Bergstraße mit 720 km² und 262.000 Einwohner ist ein Flächenkreis, den man grob in Hessisches Ried, Bergstraße, Odenwald und Hessisches Neckartal unterteilen kann. Das Neckartal tendiert traditionell zu Heidelberg, das Ried zu Mannheim, Ludwigshafen und Worms. Nach einer Zweiteilung des Kreises durch die KV herrscht im Durchschnitt, nach wie vor, ärztliche Überversorgung. Das trifft aber nur auf den Durchschnitt zu, denn im hessischen Ried und im Odenwald ist Mangel. Deutlich zu sehen am Beispiel Lindenfels: Neben dem MVZ gibt es zwei niedergelassene Hausärzte, im Alter von 56 und 68 Jahren.
Im Einzugsbereich der Klinik und dazu zählen auch Teile des Odenwaldkreises und des Kreises Darmstadt-Dieburg wohnen rund 60-70.000 Menschen und es gibt über 20 Altersheime.
Die Problemdarstellung zeigt schon, warum eine Klinik im ländlichen Raum, trotz familiärer Atmosphäre und guter Leistungen nicht wirtschaftlich arbeiten kann:
Das Durchschnittsalter der Bevölkerung im Einzugsbereich der Klinik liegt bei ca. 67 Jahren. Damit werden in aller Regel die Liegezeiten der Fallpauschalen stets überschritten. Das Haus kann damit nie wirtschaftlich im bestehenden System betrieben werden.
Meines Erachtens hat man bei der Einführung der Fallpauschalen eine Art Zuschlag für den ländlichen Raum und besondere für die Problematiken der Alterskrankheiten und damit der älteren Menschen schlicht und ergreifend vergessen oder ignoriert.
Mit Schließung der Klinik in Lindenfels befürchte ich auch, dass schnelle Hilfe nicht mehr in dem Maß wie bisher möglich ist. Die Region hier liegt im Bereich der Schneefallgrenze, über 400 m, und wer im Winter die Strecken in die näheren Kliniken, Mannheim, Weinheim, Heppenheim, Darmstadt oder Heidelberg fahren muss, mit Entfernungen zwischen 25 km und 40 km, der weiß, dass dies länger dauert. Die Leitstelle Bergstraße bestreitet dies zwar und meint, im Winter seien die Fahrzeiten nur marginal länger. Mag sein dass die objektiven Messungen stimmen, aber die Schließung des Hauses ist ebenso wie die Rettungsfristen und die Fahrzeiten auch ein emotionales Problem für die Menschen im Odenwald und im speziellen in Lindenfels.
Ein runder Tisch zur Rettung der Kliniken hat Dr. M. Meister, MdB, mit nahezu allen Beteiligten, darunter das hessische Sozialministerium – aber bisher ohne die KV, eingeleitet. Verwertbare Ergebnisse gibt es nicht, bisher.
Die Stadt Mannheim, Baden-Württemberg, Träger der UMM, wird kein weiteres Geld nach Hessen geben und darf es auch gar nicht, aufgrund der eigenen Finanzprobleme der UMM.
Für die Bergstraße ist nun einmal der hessische Sozialminister zuständig. Die Verlautbarung aus diesem Ministerium ist, dass Lindenfels verzichtbar sei, auch wenn Bensheim, 20 km Entfernung, ebenfalls komplett wegfiele.
Lindenfels läuft mittlerweile leider die Zeit weg, um sich besser darstellen und beweisen zu können. Die Beschäftigten reklamieren Managementfehler und haben in den letzten Jahren auf Entgeltbestandteile verzichtet.
Ich selbst kritisiere die Fallpauschalen sowie die kommende Strukturreform, die für Bettenabbau hohe Summen zahlt. Für Lindenfels könnte der Träger demnach, wenn die Zahl von 50.000 pro Bett stimmt, rund 6 Millionen erhalten.
Zeit wäre wichtig, um nach einem Übergang ein zukunftsweisendes Konzept, beispielsweise wie das, des Bürgerspitals in Einbeck, oder ein nordisches Modell einer Praxisklinik mit einigen Betten, oder gar ein Belegkrankenhaus, entwickeln zu können. Wobei letzteres wiederum schwierig ist, weil kaum Ärzte oder besser gesagt Ärztinnen in den ländlichen Raum kommen.
Die Stadt Lindenfels ist finanziell unter dem Schutzschirm des Landes Hessen, so dass auch hier keine Beteiligung oder Übernahme denkbar ist.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie sehen die Probleme in Lindenfels sind komplex und vielschichtig, dabei habe ich gar nicht erwähnt, dass das Gebäude und das Grundstück im Eigentum des Hessischen Diakonievereins sind, als Erbpachtgeber.
Auch ansonsten ist unsere Infrastruktur in die Jahre gekommen und momentan arbeite ich daran, wieder eine Nahversorgung für die Kernstadt (2.300 Einwohner) zu bekommen. Auch dies ist nur mit öffentlichen Geldern im Rahmen eines Integrationsprojekts zu realisieren. Lindenfels hat im Übrigen sieben Stadtteile und die Kernstadt, mit acht Feuerwehren, fünf Bürgerhäusern, fünf Friedhöfen, 60 km Wasserleitung in fünf separaten Wasserkreisläufen und 60 km Straßen und eine Höhendifferenz von knapp 300 m, sodass die Feuerwehrfahrzeuge für den Wintereinsatz allradgetrieben sein müssen. Alles Kleinigkeiten die in der Summe aber massiv Geld kosten.
Ich halte an meiner Forderung fest, dass eine Klinik im Herzen des Odenwaldes zwingend notwendig ist. Zusätzlich zur vorhandenen Basisversorgung mit Innerer Medizin und Chirurgie, wären für den ländlichen Raum sogar eine Schlaganfalleinheit und eine Geburtenstation notwendig. Die Menschen im ländlichen Raum sind keine Bürger zweiter Klasse und dürften auch nicht für die Fehler der Vergangenheit bezahlen.
Neben dem Ärger über die UMM habe ich die Bitte und Forderung an die Politik im Kreis Bergstraße und im Bund, aber ganz wesentlich auch an das Sozialministerium im Land Hessen:
Es hat ein Paradigmenwechsel stattzufinden, der Krankenhäuser wieder als soziale Einrichtung und nicht als Profitcenter sieht. Gesundheit ist ebenso wie Polizei, Justiz, Schule oder Feuerwehr ein Belang der öffentlichen Daseinsvorsorge und kann nicht in Euro und Cent gegengerechnet werden.
Ich frage mich, wieviel Sinn es machen kann, in Heppenheim und Bensheim derzeit ähnliche Angebote zu unterhalten, in einer von Luftlinie 5,5 km und Fahrtstrecke von 6,5 km, wenn gleichzeitig wir im ländlichen Raum ausbluten.
An der Bergstraße reiht sich eine Facharztpraxis an die Nächste, im ländlichen Raum herrscht dafür komplette Fehlanzeige. Auch hier schauen die Verantwortlichen mehr oder weniger zu und überlassen die Verteilung der kassenärztlichen Vereinigung; eine nachvollziehbare Steuerung findet nicht statt.
Vielleicht fällt Ihnen zu der geschilderten Problemstellung noch der eine oder andere Tipp oder Fingerzeig ein, wie die medizinische Versorgung in Lindenfels, im Speziellen und für den hiesigen Odenwald, als ländlichem Raum im Allgemeinen, zu gewährleisten ist und wie die Luise überlebt?