Aus für die „Luise“ !

Das Luisenkrankenhaus Lindenfels wird geschlossen. Spätestens Ende August, wenn die Kündigungsfristen für die 116 Mitarbeiter enden,ist Schluss. Wahrscheinlich muss der Betrieb schon früher eingestellt werden. Bürgermeister Michael Helbig (SPD) hatte es geahnt. Die Hiobsbotschaft aus dem hessischen Finanzministerium kam am Freitag um 8.12 Uhr als Fax ins Rathaus. Darin teilte Minister Thomas Schäfer (CDU) mit, dass das Land keine „Patronatserklärung“ abgeben kann und dass es die landeseigene WIBank ablehne, eine Bürgschaft zu gewähren. Helbig hatte mit Schreiben vom 12. Mai das Land um Hilfegebeten. Weil sich auch die beiden Kirchen weigern, jeweils 300.000 Euro zur Eigenkapitalbildung bereitzustellen, haben Helbig und die Bürgerinitiative „Gesundheitsversorgung im Vorderen Odenwald“ ihren Kampf für das Luisenkrankenhauses aufgegeben. „Wir sind in Schockstarre“, sagte Helbig im Ratssaal an der Burgstraße, wo er neben dem Stadtverordnetenvorsteher Stefan Ringer (SPD) der einzigePolitiker war. Was die Nachricht aus Wiesbaden bedeutet, lässt sich laut Helbig noch nicht abschätzen. Dass dem städtischen Wasserwerkeine wichtige Einnahmequelle versiegt, wenn das Luisenkrankenhausschließt, dürfte dabei eines der geringsten Probleme sein. In Lindenfels zeige sich, dass in der Gesundheitspolitik Wirtschaftlichkeit wichtiger sei als die Pflege, sagte Helbig. Doch ohne Subventionen sei stationäre Versorgung im ländlichen Raum nicht möglich. Ähnlich enttäuscht zeigte sich der Arzt Joachim Wahlig, der mit Unterstützung des Unternehmensberaters Frank Bletgen (Mannheim) innerhalb vonsechs Monaten das allseits gelobte Modell „Luise light“ ausgearbeitethatte. Wahlig erinnerte an die 19 Montagsdemos, an die vielen Verhandlungen mit Politikern und Fachleuten. Luise light, das bescheinigte ihm zuletzt der Gesundheitsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Professor Karl Lauterbach, sei ein Fortschritt: ambulante und stationäre Versorgung aus einem Guss, interdisziplinäre Zusammenarbeit von Fachärzten und Pflegepersonal, volkswirtschaftlicher Nutzen. Um den Betrieb im
Luisenkrankenhaus aufrechtzuerhalten, bis Luise light an den
Start gehen kann, wären laut Wahlig drei Millionen Euro zur Überbrückung eines Zeitraums von zwei Jahren nötig gewesen.

Eine „Zeitbombe“für die ärztliche Versorgung

Das Land habe die Chance vertan, eine Blaupause zu erhalten, mit der ähnliche Probleme in anderen strukturschwachen Regionen gelöst werden könnten. Wahlig und Bletgen fürchten, dass sich mit der Schließung des Krankenhauses auch die ambulante Versorgung verschlechtert. Diese Befürchtung teilt Landarzt Gerhard Wetzig, stellvertretender Vorsitzender der Bürgerinitiative. Er sprach von einer
„Zeitbombe“, was die ärztliche Versorgung auf dem Land betrifft.
In Zukunft werde die Zahl der notärztlichen Einsätze steigen. Wahlig sieht die Gesundheitspolitik ähnlich kritisch wie Helbig. Dass Bürger wie bei den Montagsdemonstrationen vor dem Luisenkrankenhaus auf die
Straße gehen, um ihr Grundrecht auf Gesundheitsversorgung einzufordern, hält er für skandalös. In Lindenfels würden mit der Schließung des Krankenhauses Strukturen zerschlagen, die nur mit großer Mühe neu aufgebaut werden können, sagte Wahlig. „Luise wurde zugrunde gerichtet“, sagte Wolf Werner Huep, früherer Medizinischer Direktor des Krankenhauses. Er ist Vorsitzender
der Bürgerinitiative. Der Bergsträßer Landrat Christian Engelhardt und Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (beide CDU) müssten zu ihrem Wort stehen und erklären, wie sie sich ihr Modell eines Medizinischen
Versorgungszentrums vorstellen. Dieses Modell ähnelt „Luise light“.
Stadtverordnetenvorsteher Ringer sagte, das Parlament habe noch am Donnerstagabend –trotz angespannter Haushaltslage– einstimmig weitere 150.000 Euro bereitgestellt. Ringer und Helbig dankten allen Mitstreitern für ihr Engagement. Bund und Land müssten die Probleme
des ländlichen Raums lösen. Sonst – so Ringer – sei all das, was an aufmunternden Worten zu hören war, nur Lippenbekenntnisse.